Mir scheint, wir sind in der After-the-Happy-End-Phase angekommen. In der Phase, wo in einer normalen Liebesgeschichte das Wort „Ende“ auf der Leinwand erscheint. Die Liebenden haben sich bekommen oder auch nicht. Doch so einfach sind die Dinge nicht immer. Ein klassisches Happy End hat es für uns nicht gegeben. Dennoch bleibt es spannend. Ja, vielleicht werden die Dinge jetzt erst richtig interessant.

Ok, lasst mich nachdenken. Wo beginne ich am besten? Die Dinge scheinen eher vielschichtiger zu werden statt einfacher.

Stell dir vor, du trennst dich von deinem Liebsten. Nur um danach festzustellen, dass du ihn dadurch gar nicht verloren hast.

Trotzdem hat sich etwas zwischen euch verändert. Ihr habt beide etwas Altes abgestreift. Und auf eine seltsame, paradoxe Weise seid ihr noch näher zusammengerückt.

Klingt verwirrend? Nun, das ist es auch. Versuchen wir, die Fäden zu entwirren.

Fakt Nr. 1: Beziehung beendet

Fangen wir mit dem Einfachsten an. Ich habe meine Beziehung mit A. beendet. Oder das, was man klassisch darunter versteht.

Soweit, so gut. Doch nachdem wir uns in einem gemeinsamen Gespräch beide mit diesem Schritt einverstanden erklärt hatten, stand die Frage im Raum, was das für unseren weiteren Kontakt bedeutet.

Gehen wir komplett eigener Wege und brechen jeglichen Kontakt ab? Das schien uns wenig vielversprechend, hatten wir diesen Versuch doch bereits beide unternommen und für gescheitert erklärt.

Ok. Was stand stattdessen zur Wahl? Freundschaft? Gelegentliche Kontakte? Sich treffen oder auch nicht?

Nun, das mit der Freundschaft haben wir ebenfalls durchexerziert und als Lüge enttarnt. Wir sind keine Freunde. Jedenfalls nicht nur. Punkt. Ende der Diskussion.

Doch was sind wir dann? Und welche Form geben wir diesem Etwas?

Eine Frage der Form

Wenn wir eines herausfiltern konnten, so war es die Tatsache, dass wir von Anfang an um eine Form gerungen haben. Um eine Form für das, was zwischen uns ist.

Doch eine Form kannst du nur füllen, wenn eine Essenz vorhanden ist. Und diese Essenz ist erstmal formlos. Sie ist größer als jede Form. Oder mehr als eine. Sie ist vielgestaltig und, ja, sagen wir es ruhig, multidimensional.

Fakt Nr. 2: Wir sind verbunden

Wenn wir also etwas Weiteres festhalten konnten, so war es dies: wir sind in Essenz verbunden. Dessen sind wir uns beide sicher. Wir verstehen nicht, warum und wozu, aber dies ist Teil dessen, was wir sind.

Von daher wäre es sinnlos, dagegen anzukämpfen.

Fakt Nr. 3: Wir haben eine Wahl

Doch wenn es darum geht, dieser essentiellen Verbindung eine Form zu geben – und darum kommen wir in einer dreidimensionalen Welt nicht herum, so hängt es wohl gleichermaßen von unserem Bewusstsein und unserem Willen ab, wie wir diese Form gestalten.

Wenn sich eines wie ein roter Faden durch die letzten drei Jahre zieht, so war es dieses Ausloten: was geht überhaupt miteinander? Wie wollen wir (miteinander) sein? Und wie können wir miteinander sein? Letzteres hat uns zu den harten Realitäten gebracht. Zu den Grenzen, die diese Welt bestimmen, und an die wir immer wieder gestoßen sind. Innerlich wie äußerlich.

Wie innen, so außen

Auch das wurde in unseren Gesprächen deutlich: wir können uns an äußeren Hindernissen abarbeiten. Aber die wahren Türen gehen auf, wenn wir unsere inneren Hindernisse beseitigen. Haben wir dies getan, sind wir jedes Mal ein Stück näher zusammengerückt. Es hat neue Dinge möglich gemacht, wo vorher nur Stoppschilder prangten.

Und noch etwas habe ich in den letzten Wochen begriffen, und es hat mich weit nach vorne katapultiert. Um effektiv äußere Grenzen zu setzen, müssen wir erst lernen, innerlich nein zu sagen.

Das habe ich vor wenigen Tagen getan. Ich habe nein gesagt zu einem weiteren Ausbluten. Zu weiterem Gift, das beständig in mich eindrang. Und ein Nein dazu, dass andere weiterhin ungefragt über meine Grenzen latschen. Und ich über ihre.

Es ist in diesem Kontext geschehen, dass ich auch Nein zu A. gesagt habe. Oder genauer gesagt zu unserer „Beziehung“. (Hatten wir je eine im herkömmlichen Sinne?)

Damit habe ich einen wichtigen Teil in mir selbst bejaht. Ihm Raum gegeben. Und glaubt mir, mein inneres Kind hat zutiefst aufgeatmet.

Erster Versuch: Kontaktabbruch

Eine der schrecklichsten und schmerzlichsten Erfahrungen, die A. und ich einander zugefügt haben, waren die Kontaktabbrüche. Ich weiß nicht, wie oft er Anstalten gemacht hat, mich endgültig aus seinem Leben zu schmeißen. Doch im Prinzip bedeutete dies, die Verbindung zu leugnen. Vogel Strauß. Ich tue so, als gäbe es dich nicht mehr. Problem gelöst! Problem gelöst?!

Für mich hat das bedeutet, mich meinen tiefen Verlassensängsten zu stellen. Er hat immer wieder meine schlimmsten Befürchtungen erfüllt.

Doch genau da beginnt das Wunder einer Seelenverbindung. Mit Kontaktabbrüchen ist A. ein Leben lang gut durchgekommen. Es war eine Strategie, um Schmerz zu vermeiden und auch nach einem Abschied sein Leben weitgehend unbeschadet fortzusetzen.

Doch dummerweise – oder Gott sei Dank – funktioniert diese Strategie bei mir nicht, weil immer wieder diese verdammte Liebe dazwischen kommt. Er hat es wirklich, ehrlich versucht, und weiß Gott war es ihm ernst! Als er ankündigte, mich nie im Leben wieder sehen zu wollen, habe ich ihm jedes Wort geglaubt.

Und doch sind wir noch immer hier, auf merkwürdige Weise getrennt und doch „vereint“? Wie kann das sein?

Die Erfahrungen haben sich auf merkwürdige Weise umgekehrt. Das, was er mir durch die Trennungen „angetan“ hat, ist zu ihm zurückgekommen. Und zwar nicht, ich betone: nicht! aus Rache oder manipulativer Absicht. Sondern weil auch für mich eine ehrliche Grenze erreicht war. Eine Grenze, die meine Überlebensinstinkte aktiviert hat und mich gezwungen hat, ein paar Schritte zurück zu treten.

Umkehrung

Dies hat bei ihm zu dem überraschenden Geständnis geführt, dass er zum ersten Mal Angst verspürte. Angst, ich wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Ganz ehrlich? Hat dieses Eingeständnis gut getan!

Er sagte wörtlich: „Es war die Hölle“.

Interessant, dass ich vor wenigen Monaten fast die gleichen Worte verwendet habe. Er hatte mich damals gefragt, wie ich meine Angst überwunden hätte.

Meine schlichte Antwort war gewesen: „Ich bin durch die Hölle gegangen.“ Er hat mich damals angesehen, und es war klar, dass er die Hölle in Bewegung gesetzt hatte. Ja, er murmelte sogar beschämt eine Entschuldigung.

Diese Erfahrungen machen uns demütig. Vielleicht ist es im Kleinen das, was sonst dem Thema „Karma“ zugeschrieben wurde. Die Erfahrung, die du einem anderen beschert hast, kehrt plötzlich zu dir zurück. Und erst dann, und keine Minute vorher, begreifst du wirklich. Du spürst. Und verdammt, es zerreißt dich fast!

Zweiter Versuch: Grenzen setzen

Die Veränderung in A. hatte sich schon angekündigt, kurz nachdem ich ihm vor einigen Tagen die erste Nachricht geschrieben hatte. Ich hatte noch nicht die komplette Reißleine gezogen, sondern mir lediglich etwas Abstand und Zeit zum Nachdenken ausbedungen.

Seine prompte Reaktion? Er nahm mir erneut die Entscheidung aus der Hand und erklärte die Sache seinerseits endgültig für beendet.

Was für ein Scheißgefühl! Blitzschnell hatte er aus meinem Gefühl der Ermächtigung ein ganz und gar beschissenes Gefühl gemacht. Wir hätten eine gute Zeit gehabt und es blieben schöne Erinnerungen, bla, bla, blubb.

Unten drunter schrieb er noch: „Ich lieb dich wie dolle.“

Ich antwortete nur: „Dito, du blöder Idiot. Dito.“ Und wollte mich umdrehen und meiner Wege gehen.

Da erhielt ich am nächsten Tag eine fast panische Nachricht. Die Bezeichnung „Idiot“ hätte er ja wohl verdient. Kleinlaut gestand er, er hätte es schon wieder getan (gemeint war der Versuch, die Kontrolle wieder zu erlangen, indem er alle Brücken einreißt). Frei nach dem Motto: Besser ich verlasse sie, als dass ich verlassen werde.

Er ruderte also sichtlich zurück und erklärte mit (!) drei (!) Ausrufezeichen (!), dass unsere Sache nicht vorbei sei, sondern wir beide nur nachdenken würden.

Das. War. Neu.

Das war neu. Nicht nur, dass er schnell gemerkt hatte, wieder in die gleiche Falle getappt zu sein.

Er gestand auch noch, dass er überzeugt war, alle Menschen, die ihm gut tun, sowieso zu verlieren. Mehr noch: er ließ sich auf die Unsicherheit, den Kontrollverlust ein: Was überlegt sie sich? Zu welcher Entscheidung kommt sie? Verliere ich sie vielleicht doch?

Plötzlich entstand ein neuer Raum zwischen uns. Ein Raum der Möglichkeiten. Gar nicht so einfach. Denn in diesem Raum waren wir frei.

Es dauerte noch einige Tage, bis ich mich bereit fühlte, meine Grenze, die ich innerlich bereits gezogen hatte, auch nach außen zu vertreten. Es war klar und offensichtlich, dass ihm meine Entscheidung nicht gefiel, aber er respektierte sie. Und bot wieder den totalen Kontaktabbruch an. Ob er sich fortan nicht mehr bei mir melden solle.

So. Und an dieser Stelle wurde es interessant. Denn ich sagte ihm, dass ich ihn nicht aus meinem Leben tilgen möchte. Dass ich den Kontakt möchte. Dass ich aber noch nicht wisse, in welcher Form. Noch mehr Unsicherheiten. Halleluja. Doch er ließ sich darauf ein.

Was war anders? Statt der üblichen Kontaktabbrüche (als Versuch, Nähe und Distanz zu regulieren), stand nun eine Grenze im Raum. Eine Grenze, die ich gezogen hatte und die ich bereit und willens war zu verteidigen.

Ups. Das war ebenfalls neu.

Männlichkeit

Es wird so viel darüber geschrieben, dass es darum gehe, unsere weibliche und männliche Seite auszubalancieren. Nun, bisher war ich extrem „weiblich“. (Man bemerke die Anführungszeichen!) Anschmiegsam. Duldsam. Geduldig. Gestattend. Alles erlernter Firlefanz. Er wiederum repräsentierte den anderen, ebenfalls extremen Teil. Er war sehr gut in der Lage, sich abzugrenzen. Fast schon zu gut. Da war ja gar kein Durchkommen mehr. Kurzum: Wir waren beide aus dem Gleichgewicht.

Einen Teil dieser Abgrenzung, und zwar die, die zu mir gehört, habe ich nun selbst übernommen. Ich brauche ihn nicht mehr dafür, mich auf Abstand zu bringen. Das kann ich selbst. Und es fühlt sich auch noch gut und richtig an.

Im Umkehrschluss ist er mit seiner „weiblichen“ Seite in Berührung gekommen. Mit seiner Verletzlichkeit. Seiner Angst, verlassen zu werden. Seiner Sehnsucht und seiner Bedürftigkeit.

Wir haben beide gewonnen.

Als ich ihn auf diese Veränderung, vom Kontaktabbruch zur Grenze, ansprach, sagte er etwas Bemerkenswertes: „Kontaktabbrüche sind einfach. Sie sind unspezifisch. Mit einer Grenze umzugehen, ist viel schwieriger. Denn da gibt es ein Davor und Dahinter, und eine Grenze ist sehr klar.“

Was er eigentlich beschrieb, war unsere Verschiebung von der Vermeidung hin zu echtem Kontakt. Und echter Kontakt funktioniert nur mit Grenzen. Und so wird dann ein Schuh daraus, wenn ich sage, dass meine Trennung uns näher zusammengebracht hat. Sie ermöglicht uns Kontakt, wo vorher keiner war. Wo wir voreinander weggerannt sind. Jetzt stehen wir uns Aug in Aug gegenüber, und es hat etwas von einem gesunden Kräftemessen. Aber auch von Spüren. Wo bin ich, wo höre ich auf? Und wo beginnt der andere?

Paradox

Und so ist ein merkwürdiges Paradox entstanden. Wir haben etwas weggenommen und etwas Neues dadurch gewonnen. Ein neues Gefühl von Einheit und Sicherheit. Wir müssen uns nicht verlieren. Das ist altes Denken. So wie meine Eltern es oft aus ihrer Jugend berichtet haben. Wenn mit jemandem Schluss war, hat man sich nicht mehr mit dem Hintern angeguckt.

Das ist nicht nur kindisch, sondern auch völlig unnötig. Wir haben immer eine Wahl. Meine Wahl lautet: ich wende mich wieder meiner Familie zu.

Doch damit verschwindet unser Seelenband nicht, und auch nicht unsere Liebe. Beides ist noch da. Aber wir sind keine Sklaven dieser Verbindung. Wir haben die Wahl, uns so oder anders zu entscheiden. Auf eine überraschende, wunderbare Weise gibt es mir das Gefühl, frei(er) zu sein. Zu lieben und dennoch mein Ding zu machen. Und ihn tun zu lassen, was immer er entscheidet zu tun.

Ich liebe ihn. So oder so. Mich davon abzubringen, ist uns beiden gründlich misslungen.