Ich fühle mich wie bei einem Todesfall – erneut. Und mir ist klar, dass wir uns im End Game befinden. Gestern habe ich nach einer Woche inneren Ringens die Entscheidung getroffen, A zu konfrontieren. Eine Antwort von ihm steht noch aus.
Wenn du an eine Theorie glaubst, kommst du nicht umhin, sie immer wieder an der Realität zu prüfen. So geht es mir dieser Tage mit der „Dualseelentheorie“. Teil des Konzepts besagt ja, dass es gegenseitig ist – nicht nur die Anziehung, sondern auch die Transformation.
Bisher hat mir dieses Konzept gute Dienste geleistet und sich bewahrheitet. So beispielsweise, dass sich die Dynamik irgendwann umkehrt.
Herausforderung
Was damit noch nicht gesagt ist, ob auch beide die Herausforderung annehmen. Bei A bin ich mir da gerade nicht so sicher. Die Chancen stehen hoch, dass sich unsere Wege trennen. Es steht auf Messers Schneide, auch was seinen weiteren Lebensweg betrifft.
Wahrscheinlich hat mich diese Dringlichkeit dazu bewogen, alles in die Waagschale zu werfen, was ich noch hatte. „All in“, wie mein Mann bemerkte.
Ja, es hat durchaus etwas von Roulette. Oder Poker. Und ich setze alles auf eine Karte.
Traue ich meiner Wahrnehmung?
Da ich leider immer noch damit hadere, meiner eigenen Wahrnehmung zu trauen, habe ich auch mit anderen über die Situation gesprochen. Wir waren uns alle einig: weiter in dieser Dynamik stecken zu bleiben, wäre ungesund – gelinde gesagt.
A hat unmissverständlich klar gemacht, dass er gar nicht daran denkt, gesund zu werden. Und gleichzeitig träumt er davon, dass ich ihn pflege?!
Das war der Moment, wo meine Schale zugeklappt ist.
Wenn der Runner rennt
Diese Momente sind nie leicht, und ich bekomme gerade ein ganz neues Verständnis für die „Runner“. Wenn die sich trennen, tun sie das auch nicht mit „Hurrageschrei“. Sie haben in der Regel einen triftigen Grund dafür. Denn was der Chaser treibt, tut ihnen weh.
So kommt der Punkt, wo beide Möglichkeiten weh tun: bleiben und gehen. Dann entscheidet, welcher Weg weniger weh tut. Und da wird plötzlich Trennung denkbar.
Hoher Preis
Ich beobachte schon seit geraumer Zeit, dass ich immer mehr dafür „zahle“, um bei A sein zu können. Das Reisen ist viel schwieriger geworden (bei meinem letzten Besuch bin ich sogar unerwartet in eine Quarantäne gerutscht), und auch die Umstände sind nicht besser geworden.
Jetzt, wo ich ihm mitgeteilt habe, wo ich stehe (dass ich nicht dazu beitragen werde, den Status Quo noch weiter zu zementieren), holt mich wieder einmal die Ungewissheit ein. Oder die Freiheit – in dem Fall des anderen.
Denn obwohl ich ihn inzwischen recht gut kenne, habe ich keine Ahnung, wie er reagieren wird. Aus dem gesamten Spektrum seiner Verhaltensweisen – von verletzend-destruktiv bis zu konstruktiv-verbindend – halte ich alles für möglich. Ich habe keinen Einfluss auf seine Reaktion. Dort liegt seine Freiheit.
Freiheit
Mit dieser Freiheit umzugehen finde ich nicht einfach. Ich fühle mich so verwundbar wie vielleicht noch nie. Und es macht mir Angst. Möchte ich ihn verlieren? Nein. Möchte ich so weitermachen wie bisher? Ebenfalls nein.
Ich kann nur meinen eigenen Weg wählen. Meine eigene Grenzen wahren. Auf mein inneres Ja und Nein hören. Verbiegen scheidet für uns beide aus.
Antagonisten
Ich begreife, was es wahrhaftig bedeutet, dual zu sein. Wir stehen einander gegenüber als Antagonisten. Wir sind der Gegenentwurf des anderen.
Ist diese Gegensätzlichkeit versöhnbar?
Darauf habe ich noch keine Antwort.
Prüfstand
Lesarten gibt es viele. Ich halte sogar für möglich, dass es Teil seines Seelenplans ist, seinen Weg weiterzugehen. Dann wäre dies für mich der letzte Prüfstand zur Gewissheit.
Ich spüre Aufregung und Nervösität und gleichzeitig Ruhe. Ein merkwürdiger Zustand.
Ich glaube, ich beginne zu begreifen, dass meine Macht hier endet. Schmerzlich und tröstlich zugleich.