Als A. und ich Anfang diesen Jahres noch glücklich in der „Bubble Love“ vereint waren, konnte ich mit der oft besungenen „Runner Chaser“-Dynamik nicht viel anfangen. Diese besagt, dass nach einer Trennung ein Partner wegrennt und der andere ihn verfolgt. Ich war damals ehrlich der Meinung, wir müssten uns nicht trennen. Haha! Hochmut kommt vor dem Fall.

Erinnern wir uns: Als A. und ich 1996 unsere erste denkwürdige Begegnung hatten, bin ich gerannt. Und zwar, als wäre der leibhaftige Teufel hinter mir her. Nur hatte ich damals nicht die geringste Ahnung.

Als wir uns dann vor anderthalb Jahren wieder trafen, behauptete A. anfangs, er könne sich gar nicht an mich erinnern. Das hat mich sehr irritiert und verunsichert; wie konnte er etwas so Bedeutsames vergessen? Oder war es nur für mich so bedeutsam gewesen?

 „Es ist, als hätte ich dich schon einmal gekannt und es nur vergessen“

Schließlich hat er damals zu mir gesagt: „Es ist, als hätte ich dich schon einmal gekannt und es nur vergessen“. Er hat mich erkannt!

Zwanzig Jahre später wusste er nichts mehr davon. Oder wollte nichts mehr davon wissen?! Erst einige Zeit später gestand er mir, er hätte mich schon bei unserer ersten Begegnung gewollt. Aha. Der Herr besaß sehr wohl Erinnerungen.

Für mich als typischem „Chaser“ ist noch heute schwer begreiflich, dass er mich damals einfach so hat ziehen lassen. Darauf angesprochen, zuckte er nur die Achseln und sagte: „Was hätte es für einen Sinn gehabt? Ich dachte, es sei vorbei. Also hab ich dich ziehen lassen.“ Um genau zu sein, ist er sogar wütend geworden. Und zwar nicht darüber, dass ich ihn nicht wollte. Sondern über die Art und Weise, wie ich es ihm verkauft habe. Zugegeben: ich habe mich damals hinter Ausreden verschanzt. Ich war feige. Ich war nicht bereit für diesen Mann.

Stattdessen habe ich mich damals für einen anderen Partner – meinen heutigen Mann – entschieden. Als seine und meine Wege sich nach einem Jahr kurzzeitig trennten, hatte ich den Impuls, A. noch einmal aufzusuchen. Ich war nicht wenig fassungslos, als hinter ihm in der Tür eine Frau auftauchte und er mir mitteilte, er habe gerade geheiratet. Den kurzen Blick, den sie mir zuwarf, werde ich nie vergessen. Sie blickte höchst alarmiert von ihm zu mir.

Auch diese Episode ist im letzten Jahr Thema zwischen uns gewesen, und ich habe bittere Tränen geweint. Damals war ich weit davon entfernt, meine Gefühle für ihn auch nur annähernd zu überblicken (ich war weder in ihn verliebt noch fand ich ihn attraktiv), aber heute weiß ich: es fühlte sich grundfalsch an, dass dieser Mann – mein Mann – eine andere heiratete. Und es kam, wie es kommen musste: er bekam Kinder mit ihr. Das habe ich allerdings erst viele Jahre später erfahren. Inzwischen sind sie allerdings geschieden.

Durchbrüche

Bevor A. sich vor etwa drei Wochen von mir trennte (übrigens nicht, weil er mich so schrecklich fand, sondern weil die Umstände vorne und hinten nicht passten und unsere Verbindung immer wieder behinderten), sind wir fast ein Jahr lang in einer Long-Distance-Beziehung gewesen. Tendenzen wegzurennen gab es mehrfach, auf allen Seiten. Und jedesmal war die Aussicht auf Trennung die pure Hölle. Es war wie verhext. Es schien keinen Weg mit und keinen Weg ohne einander zu geben.

Dann ist es geschehen. Aber was genau?

Mel Brand beschreibt, dass durch die Spiegelfunktion zwischen Dualseelen (Twin Flames) und die hohe Frequenz, die sie in der „Bubble Love Phase“ vorübergehend erreichen, alles Alte an die Oberfläche kommt. Warum? Damit es heilen kann.

Genau das widerfährt mir gerade. Es kommt alles hoch, wirklich alles. Und zwar in kürzester Zeit. Die letzten drei Wochen kommen mir vor wie ein Jahr, durch so intensive und umwälzende Prozesse bin ich gegangen.

Und ich kann bestätigen, dass die Hauptangst des „Chasers“ Verlustangst ist. Oh ja.

Doch etwas Seltsames passiert im Moment.

So habe ich mich vor einigen Tagen, als mich der Schmerz und die Angst regelrecht wegzuschwemmen drohten, mutterseelenallein auf den Weg gemacht. Und glaubt mir, ich habe mich noch NIE so allein gefühlt.

Ich bin durch die Nacht gelaufen, fast wie von Sinnen, und meine Zähne begannen zu klappern. Ich ließ es geschehen und ging einfach weiter, Schritt für Schritt. Ich stellte mich der Angst. Und sie brachte mich nicht um. Das Zähneklappern dauerte rund eine Viertelstunde, dann wurde ich ruhiger, und auch mein Gefühl von Benommenheit, das ich vorher empfunden hatte, fiel von mir ab.

Fast scheint es mir, dass „nur noch“ A.´s Schubser nötig war, um mich in Bewegung zu setzen. So wie ein Osteopath mal zu mir sagte: „Ihr Körper will aber unbedingt gesund werden. Ich musste nur eine Kleinigkeit machen, alles andere geschah wie von selbst.“

Doch genauso schnell, wie diese Episode verstrichen war, stürzten bereits die nächsten Themen auf mich ein.

Ich stelle alles in Frage

Um ehrlich zu sein, bin ich nicht mehr sicher, ob A. und ich Dualseelen sind. Oder ob ich nur „besonders“ sein will. Teil meines Prozesses waren und sind auch abgrundtiefe Zweifel über ungefähr alles, was ich denke, fühle und glaub(t)e zu sein.

Vielleicht beschreibe ich euch die Heldenreise, eine archetypische Abfolge verschiedener Wachstumsstadien, in einem anderen Artikel. Jedenfalls folgen die Ereignisse des letzten Jahres ihr genau.

Als A. wieder in mein Leben kam, war das der berühmte „Call to Adventure“. Ich habe mich ziemlich lange hartnäckig gesträubt, den Ruf zu hören. Doch dann wurde ich gezwungen, den Weg zu gehen. Wir waren uns begegnet, und er hatte seine Spuren hinterlassen; ich konnte diesen Teil, den er beleuchtet hat, nicht länger leugnen. Es war unmöglich.

Also habe ich, als er sich schließlich doch trennte, mit wackelnden Knien und der schrecklichsten Angst, die ich mir vorstellen konnte, die Herausforderung angenommen. Mir ist klar geworden, dass wir beide nicht heil sind. Und so lange wir nicht unabhängig voneinander heil werden, werden wir in diese Schwingung, an der wir für eine Zeit lang „schnuppern“ durften, nicht zurückkehren können.

Die Erfahrung der „Bubble Love“ war nur geliehen – wie ein Vorgeschmack auf das, was möglich ist. Noch vor ein paar Tagen sagte A. am Telefon zu mir (wir haben sporadisch noch Kontakt): „Das Leben hat mich da an etwas schnuppern lassen, und das will ich nun unbedingt haben.“ Als ich fragte, was das sei, sagte er, etwas befremdet: „Na dich.“

Aber wir sind gemeinsam in die Sackgasse gelatscht. Und er hat es vielleicht nicht schneller gemerkt als ich, aber er hat es sich eher eingestanden: mit unserem Willen können wir das, was wir begehren, nicht erreichen. Glaubt mir, wir sind ungeheuer einfallsreich und fantasievoll gewesen und haben uns tausend Wege überlegt, wie wir zusammen sein könnten. Doch die Mauern, die sich uns in den Weg stellten, wurden immer höher.

Und A. hat Recht: gegen das Leben anzukämpfen hat keinen Sinn und noch viel weniger Aussicht auf Erfolg. Also muss der Weg ein anderer sein.

Es ist Einsicht, die mich nun so handeln lässt. Ich habe verstanden, dass ich nicht unabhängig bin und dass ich mich auf A. gestützt habe. Das kann nicht funktionieren. Und er hat, das weiß ich vielleicht besser als jeder andere, ebenfalls reichlich Schutt vor der Brust.

Großputz

Aber diese Erkenntnis nutzt mir nichts. Ich muss meinen eigenen Schutt wegräumen. Ich muss bei mir aufräumen, oder wie er es sagte, mein Leben „in Ordnung bringen“. Ja, es ist die Liebe für ihn, die mich antreibt, das zu tun. Dass dies nur eine Anfangskrücke sein kann und dass ich mich selbst lieben lernen muss, ist mehr als deutlich geworden.

Was mich sehr berührt, ist zu sehen, wie viel unerwartete Hilfe ich bekomme. Und ich strecke offenbar die Hände nach den richtigen Seiten aus. Mir begegnet viel, viel Liebe.

Das Stehenbleiben und nicht mehr Wegrennen ist mir erst durch viele Jahre Vorarbeit möglich geworden. Noch bevor überhaupt jemals daran zu denken war, dass ich A. je wiedersehen würde, hatte ich ein tiefes, nicht enden wollendes Bedürfnis, heil zu werden. Und auch andere heil werden zu lassen.

Ich habe in den letzten zehn Jahren Stück für Stück mein Herz freigelegt und bin, wie ich jetzt begreife, Anfang des Jahres mit einer Herzchakra-Öffnung „belohnt“ worden. Dies gestattet es mir nun, alle alten Wunden zu spüren, auszuhalten und anzuschauen. Ich habe immer noch und immer wieder den Impuls wegzurennen. Und es wird mir sicherlich noch öfter passieren.

Erfahrungsgemäß werden die Herausforderungen subtiler. Sie kommen immer wieder zurück, um uns zu testen. Jedesmal auf einer etwas höheren Stufe.

Manchmal flüstert mir mein Ego ein, dass ich das nicht schaffen werde. Dass ich zu schwach, zu klein, zu dumm oder zu eingebildet sei. Im Prinzip muss ich meinem Ego danken. Denn was ist mein Ego? Mein Ego ist mein Falsches Selbst. (Danke für diese Einsicht, Julian Heppt!)  Es hat all die Jahre versucht, mich vor Schmerzen zu schützen.

Doch es ist an der Zeit, diese Schmerzen zu- und freizulassen. Was wächst in mir, ist Vertrauen. Vertrauen auf Hilfe, Vertrauen darauf, dass ich sicher bin.

Neo in der „Matrix“ macht es uns vor. Als er aufhört zu glauben, dass er tot ist, weil Trinity ihm sagt, dass sie ihn liebt und er als „Auserwählter“ gar nicht tot sein kann, steht er auf, und alle Schleier fallen von ihm. Er durchblickt die Matrix, und ihre „Kugeln“ (Trigger, wunden Punkte) können ihn nicht länger treffen.

Die „Matrix“ jetzt noch einmal zu sehen, hat tiefe, tröstliche Einsichten in mir hinterlassen. Ist Neo der Auserwählte oder nicht? Das Orakel sagt nein. Am Ende macht er sich selbst dazu.

Bin ich eine „Twin Flame“ oder nicht? Mein Orakel würde wahrscheinlich auch „nein“ sagen. Die Frage ist, welche Antwort in meinem Herzen ist.