Diese Pflegeheimerfahrung ist … interessant. Um es mal neutral auszudrücken. Wollte ich weniger neutral sein, würde ich Richtung Universum ein lautstarkes #+?!%&§!?!?!? schicken. WHATTHEFUCK. Das ist nicht dein Ernst?!

Ok. Versuchen wir das Ganze logisch und systematisch zu betrachten. Auch, um meinem inneren Dampfkessel bewusst entgegenzutreten.

Ich muss gestehen, ich bin extrem empfindlich, was Übergriffe und Hierarchien betrifft. Auch, wenn sie sich (jedenfalls in Augen mancher) eher subtil zeigen.

Wenn ich schon nicht leibhaftig anwesend sein darf (oder muss), so komme ich doch fast täglich zumindest kurz in den Genuss diverser Zwischenspiele. Live aus dem Pflegeheim.

Generalstabschef

Heute hat sich der Generalstabschef eingeführt. Eine ziemlich stämmige, dunkelhaarige Pflegerin mittleren Alters, die A offenbar direkt zeigen wollte, wo der Hammer hängt.

Dass wir mitten in unserem Skype-Gespräch regelmäßig unterbrochen werden, als sei ich nicht anwesend, ist ja nun schon eine alte Kamelle. Heute kündigte ebenjene Dame an – die Hände in die Hüften gestemmt –, dass A Besuch erwarte. Gefolgt von einer recht scharfen Aufforderung, auch ja eine Maske aufzusetzen.

Ungültig

Als A darauf pflichtschuldigst nach seiner Maske griff, pfiff sie ihn zurück. Diese Maske sei „ungültig“ und er habe diese andere Maske aufzusetzen. Dann: „Und die lässt du schön auf! Sonst kriegst du es mit mir zu tun.“ Den erhobenen Zeigefinger ersparte sie uns auch nicht.

Den Ton hättet ihr hören sollen. Mir blieb ehrlich der Mund offen stehen. 

Fehltritte am laufenden Meter

Halten wir fest: Alle anderen Pfleger siezen A höflich. Und sie greift ungefragt zum DU? Erster Fehltritt.

Zweitens: wir wollen doch mal festhalten, dass A dreiundfünfzig (zum Mitschreiben: DREI-UND-FÜNFZIG) und nicht drei Jahre alt ist. Was nicht heißen soll, dass ich die gleiche Behandlung bei einem Dreijährigen gutheißen würde. Und wir wollen ebenfalls festhalten, dass er bei klarem Verstand und nicht minderbemittelt ist (auch wenn er manchen gegenüber gerne so tut; scheint sich als nützlich erwiesen zu haben).

Drittens wollen wir festhalten, dass wir uns weder in einem Gefängnis noch in einer Kaserne befinden. Oder um präziser zu sein: Er. Nicht wir. Ich darf lediglich second hand teilnehmen.

Ihr konntet meinen Mund förmlich einrasten hören. Wäre ich dort gewesen, hätte es direkt lautstark geknallt.

Unter Dampf

Noch jetzt gerät mein Blut in Wallung, wenn ich nur daran denke. Mit MIR wird sie das nicht tun. Und was mich am fuchsigsten macht, ist zu sehen, wie A unter dieser Autorität förmlich kollabiert.

So, und jetzt wird es aus Dualseelensicht interessant:

Es ist viel darüber geschrieben worden, wie erst der Chaser seine Lernaufgaben zu erledigen hat, bevor der Runner aus dem Quark kommt. Mir sind heute mehrere Dinge klar geworden.

  1. Mein Blick aufs Geschehen allein wirkt wie ein Vergrößerungsglas. Die Dinge werden sichtbar. Das kann für die Beteiligten durchaus unangenehm werden.
  2. Unsere Dynamik hat sich komplett gedreht. Diesmal bin ich diejenige, die sich aus seinem Leben gedrängt fühlt. Und diesmal ist er es, der für uns einstehen und Raum schaffen muss. Auch gegen Widerstände. Diesmal wird er die Grenzen ziehen müssen. Und: diesmal ist er der Abhängige.
  3. Er geht in seine Jugend, ins Vertraute zurück. Sein Leben war lange Zeit von Behörden und äußeren Autoritäten geprägt, und er hat dort gelernt, den Kopf einzuziehen. Ich werde das nicht mitmachen. Mir wird aber auch deutlich, dass es viel einfacher ist, in den Widerstand zu gehen, wenn man sich nicht abhängig fühlt.
  4. Viel perfider und einfallsreicher hätte das Universum unsere Kombination kaum gestalten können. Ich bin Autorin; ich weiß, wie man Antagonisten schafft und Konflikte auf den Höhepunkt treibt. Das hier hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgedacht.
  5. Sein Prozess fängt gerade richtig an. Was nicht heißt, dass bisher nichts mit ihm geschehen wäre. Wir haben immer beide Schritte gemacht. Wir haben beide dazugelernt. Aber die großen Durchbrüche sind bisher auf meiner Seite geschehen.

Küssen mit Mundschutz?

Halten wir also fest: mit seiner Entscheidung hat A die Unbehaglichkeit (um nicht zu sagen: Unerträglichkeit) seiner Umgebung für mich auf die Spitze getrieben. Ach ja, noch so eine nette Randnotiz: wenn ich es richtig verstanden habe, darf er nur noch Besuch mit Mundschutz empfangen. Ich habe schon gewitzelt, dass das etwas unpraktisch ist, wenn er mich küssen möchte.

Jenseits des Alltags

Wie es aussieht, werden wir uns nur noch (oder überwiegend) jenseits seines alltäglichen Lebens begegnen können (und wollen). In unserer eigenen kleinen Welt. Ohne nervige Pflegerinnen, die wahlweise dragonermäßig oder – was wir auch heute hatten – zuckersüß sind. Bei beiden krieg ich Schüttelfrost.

Wenn es stimmt, dass Twin Flames das Alte aufbrechen sollen, haben wir wohl unsere gemeinsame Mission gefunden. Da schrei ich doch mal laut Hurra!

Alaaf. Oder Helau. Je nach Region. Ach nee, frohe Weihnachten. Oder Merry Christmas.

Ich geh mich jetzt besaufen. 🤪 Cheers.
Und ihr so?