Ich weiß nicht, wie es dir ergangen ist. Aber ich bin ein Trennungskind. Genauer gesagt war ich schon erwachsen, als meine Eltern sich trennten. Spuren hat es trotzdem hinterlassen.

Ein schlauer Mensch hat mal gesagt, wir könnten uns Erziehung sparen – unsere Kinder würden uns sowieso alles nachmachen. Daran scheint mir mehr Wahrheit zu sein, als wir gemeinhin glauben.

Schon seit einiger Zeit beschäftigt mich die Tatsache, dass ich mich oft zerrissen fühle. Kürzlich hatte ich einen sehr klaren Moment – auch in Bezug auf unser Dreieck – in dem ich spürte, dass ich nicht mehr „hälftig“ sein möchte. Ich möchte ganz sein. Doch was zerreißt mich, und wie kann ich es überwinden? Die ganze Antwort kenne ich noch immer nicht, aber gestern fand ich Teile des Puzzles.

Zwischen zwei Männern

Schon vor geraumer Zeit habe ich geschildert, dass ich mit T. und A. eine scheinbar entgegengesetzte Entwicklung durch die Chakren durchlaufe. Während die Verbindung mit meinem Mann sich vom Spirituellen ins Bodenständige entwickelt, ist es mit A. umgekehrt. Überhaupt habe ich festgestellt, dass die beiden in vieler Hinsicht polare Eigenschaften haben. Das drückt sich nicht nur in ihren Sternzeichen aus, die einander gegenüberliegen.

Doch auch darüber hinaus wurde mir klar, dass ich viele Eigenschaften, die ich in einer Beziehung suche, gleichmäßig auf beide Männer verteilt habe. Es wird euch sicher nicht überraschen, dass beide Eigenschaften meines Vaters aufweisen.

Unfähigkeit, sich zu entscheiden

Gestern wurde mir ein neuer Aspekt bewusst. Und zwar geht es um meine Unfähigkeit, mich zwischen beiden Männern zu entscheiden. Überhaupt tauchen immer wieder die gleichen Fragen auf.

Muss ich mich entscheiden? Sollte ich mich entscheiden? (Und wenn ja, wer sagt, dass ich sollte?) Sind wir fortschrittlich oder nur verkorkst? Oder darf ich mich sogar entscheiden? (Dieser Gedanke kommt mir gerade erst. Er wirft ganz neue Aspekte auf, die ich so noch nie betrachtet habe).

Jedenfalls wurde mir gestern klar, dass dieser Spagat zwischen A. und T. sich genauso unlösbar anfühlt wie das Gefangensein zwischen meinen Eltern. Was genau meine ich damit?

Dazwischen

Ich bekomme eine Ahnung, wie unmöglich es war, zwischen meinen nicht verbundenen Eltern zu stehen. Zu vermitteln. Verzweifelt zu vermitteln. VerMITTEln. Ich war der Verbindungspunkt zwischen ihnen. Verwirrend. Überfordernd. Unlösbar.

Dreiecksbeziehung.

Und damit verbunden schien die unausgesprochene Forderung, mich entscheiden zu müssen. Aber genau hier liegt der Knackpunkt: es ist für ein Kind völlig unmöglich, sich zwischen seinen Eltern zu entscheiden.

Es wird euch ebenfalls nicht überraschen, wenn ich sage, dass die innere Trennung meiner Eltern bereits viel früher stattgefunden hat. Wenn ich es recht bedenke, glaube ich sogar, dass sie nie verbunden waren. Sie sind äußeren Vorbildern gefolgt, haben es so gemacht, wie „man“ es eben macht. Doch die innere Verbindung – die Herzverbindung – habe ich nie gespürt.

Spaltung im Kind

Das ist es, was die Spaltung in einem Kind erzeugt. Es entstammt Mutter und Vater gleichermaßen. Es besteht genetisch zur Hälfte aus beiden. Wie könnte es wählen? Wieso sollte es wählen müssen? Wählen zu müssen ist für ein Kind eine Katastrophe. Ein unlösbarer Konflikt.

So weit, so gut. Auch die Ähnlichkeiten zwischen meiner Geschichte und der meiner Mutter sind unübersehbar. Sie befand sich ebenfalls in einer Dreiecksbeziehung. Im Unterschied zu mir in einer heimlichen. Und wenn mich meine Instinkte nicht täuschen, so gab es bereits für meine Großmutter einen zweiten Mann. Die Spaltung hat Tradition.

Doch was haben wir abgespalten? Vereinfacht gesagt haben wir materielle Sicherheit und Alltagsleben, d.h. die Rolle als Mutter und Ehefrau, von der emotionalen Seite getrennt. Wir haben funktioniert, so wie es von uns erwartet wurde. Wir haben eine Rolle gespielt. Mit authentischem Sein hat das wenig zu tun. Und mit Verbindung – zum Partner und zu uns selbst – noch viel weniger.

Die Spaltung hat Tradition

Fast könnte man an die mittelalterliche Tradition der Minne denken. Die Ehe hatte in den meisten Fällen eine rein soziale Funktion. Doch das Herz, die romantische Liebe schenkte man einem anderen.

Wie es scheint, befinde ich mich in guter – oder zumindest Jahrhunderte alter – Gesellschaft. Diese Spaltung ist uralt.

Was ist geschehen? Die ursprünglich heilige Verbindung zwischen Mann und Frau wurde profanisiert. Instrumentalisiert. Missbraucht. Doch was bedeutet heilig? Heilig heißt, dass wir es ursprünglich mit einer tiefen Seelenverbindung zwischen Mann und Frau zu tun hatten. Mit einer Herzverbindung. Nicht mit einem äußeren Band.

Die äußere Ehe ist ein billiger, verfälschter – um nicht zu sagen kranker und krank machender – Abklatsch dessen, was zwischen Mann und Frau möglich ist. Ohne äußeres Band. Denn das Band ist innen.

Verrückung

Das Interessante ist, dass mein Mann und ich diese Verrückung zum Teil geheilt haben. Stück für Stück haben wir uns von äußeren Vorgaben verabschiedet (und an einem Punkt sogar unsere Ringe abgelegt, weil sie uns zu „eng“ geworden waren. Inzwischen tragen wir sie wieder, aber sie haben eine andere Bedeutung bekommen).

Doch der Durchbruch war das Entflammen unserer Herzverbindung. Damit haben wir die Kontaktlosigkeit, die für so viele schal gewordene Ehen so charakteristisch ist (und die auch in den Büchern über Kriegskinder ausführlich beschrieben wird), zu einem guten Teil überwunden.

Was nicht heißt, dass wir keine Rückfälle erleiden. Aber wir haben einen inneren Zugang zueinander gefunden. Und der sitzt im Herzen. Jedoch setzt dies voraus, dass wir riskieren, uns verletzlich zu zeigen.

Damit ist die Spaltung in mir jedoch noch nicht überwunden. In diesem Spalt, in diesem Dazwischen – das ist mir heute klar geworden – sitzt mein tiefster Schmerz. In dieser Spaltung zwischen meinem inneren Vater und meiner inneren Mutter. Meinem männlichen und meinem weiblichen Anteil. Im Außen repräsentiert durch A. und T.

Sie alle, wir alle schreien nach Heilung.

Bin ich einfach egoistisch?

Und was ist mit meinen Gefühlen für A.? Ganz ehrlich? Darauf habe ich noch keine Antwort.

Vielleicht bin ich egoistisch; das schließe ich nicht aus. Aber was nutzt mir dieses (Selbst-)Urteil, solange ich nicht verstanden habe, warum ich tue, was ich tue? Ich stecke doch aus einem Grund in dieser Konstellation. Und Heilung hat damit zu tun, dass uns bewusst wird, warum wir so handeln.

Zugleich ist mir heute klar geworden, dass auch A. das Gleiche praktiziert. Auch er tut, was sein Vater getan hat. Er attackiert das Weibliche (in sich). Nur in wesentlich verhüllterer Form. So verhüllt, dass die Ärzte (und er selbst) nicht den geringsten Plan haben, was wirklich geschieht. Und obwohl er mit all seiner Macht versucht hat, es nicht zu tun.

Wir machen unseren Eltern alles nach

Wir machen unseren Eltern alles nach. Bis wir es merken und es auflösen. Dann gewinnen wir Freiheit. Die Freiheit zu wählen. Dann handeln wir bewusst und reagieren nicht mehr ferngesteuert gemäß unserer familiärer Programme.

Warum ich die Dinge so inszeniere, habe ich noch nicht völlig verstanden. Aber das Dunkel ist heller geworden. Zumindest habe ich eine Ahnung, in welche Richtung es geht.

Mein inneres Kind hat aufgehorcht. Es verspürt plötzlich Hoffnung.