Wut verschwindet ja bekanntlich nicht einfach. Als A mich heute morgen anfunkte, hatte ich nicht die geringste Lust, mit ihm zu reden. Doch letztlich sah ich mich mit einer Wahl konfrontiert: ihm – und damit meiner Wut – aus dem Weg gehen, oder meine Meinung sagen.

Also rief ich ihn zurück. Und mir war klar: ich muss erst diesen Schwall an Emotionen ablassen. Was ich dann auch tat.

Die gute Nachricht ist: Wut „können“ wir inzwischen halbwegs (auch wenn ich diese Gespräche immer noch nicht besonders mag). Oder genauer gesagt: ich kann mit ihm. Er zeigt Wut immer noch indirekt, z.B. durch spitze Bemerkungen. Doch wir bleiben weitgehend konstruktiv.

Die ersten Male, als er mich richtig verletzt hatte, habe ich zurückgefeuert. Auch unter die Gürtellinie. Was unschön wurde. Das tue ich nicht mehr.

Gegensätzlichkeit

Was auch immer deutlicher wird, ist unsere Dualität. In manchen Dingen stehen wir komplett am entgegengesetzten Spektrum. Wenn wir also beide in unsere Extrempole gehen, kann sich die Distanz zwischen uns gigantisch anfühlen. Dafür können wir uns aber auch ungewöhnlich nah sein.

Jedenfalls gelangte das Gespräch immer mehr in versöhnliche Regionen. Allerdings habe ich mein Anliegen, er möge bitte im Heim dafür sorgen, dass wir ungestört skypen können, klar zum Ausdruck gebracht. Und er hat versprochen, sich darum zu kümmern.

Interessant fand ich diesbezüglich seine Rückmeldung. Er meinte, ich hätte das ja vorher nicht gesagt, dass es mich störe. Das stimmt zwar, aber in meiner Wahrnehmung hatte ich meinen Unwillen und meinen Ärger recht deutlich zum Ausdruck gebracht. So unterschiedlich funktioniert Wahrnehmung!

Gemeinschaft

Was ebenfalls auftauchte, war das Motiv einer Gemeinschaft, in der verschiedene Menschen unterschiedliche Fähigkeiten einbringen. A meinte, er könne zwar viele Dinge nicht mehr, aber er sei sehr wohl bereit, anderweitig Hilfe zur Verfügung zu stellen. Ich persönlich finde es eine Schande, dass er seine mentalen Fähigkeiten und seinen Erfindungsreichtum so wenig nutzt.

Der Gedanke hatte mich schon vor einigen Jahren begleitet und war dann aus verschiedenen Gründen wieder in der Versenkung verschwunden.

Das finde ich interessant, weil es ein typisches Wassermann-Thema ist, und Wassermannenergien sind sowohl bei A als auch bei mir stark ausgeprägt. Es geht dabei um Individualität in Gemeinschaft. Also nicht entweder Individualität oder Gemeinschaft (Unterordnung), sondern eine neue, freie Form desselben.

Aufgekommen war das Thema, als wir über etablierte Systeme sprachen und dass wir aus den alten Systemen aussteigen müssen, wenn wir die Problem lösen wollen, die in ihrem Rahmen entstanden sind.

Ich habe A auch klar gesagt, dass ich vom „System Heim“ keine Lösungen erwarte. Sie verwalten bestenfalls sein Problem. Im schlimmsten Fall vergrößern sie es, d.h. seine Erkrankung.

Doch ich bleibe weiterhin daran interessiert, die Probleme zu lösen (wenn Ihr wollt, nennt es Heilung). Doch dafür müssen größere bzw. andere Rahmen her. Und andere Menschen.

Babyschuhe

Was aber auch deutlich wird, ist, dass wir diesbezüglich noch in den Babyschuhen stecken – bestenfalls. Unsere früheren Versuche, Gemeinschaften zu gründen waren alle an unseren starken Egos und individuellen Vorstellungen gescheitert. Gemeinschaft zu lernen wird uns allen vermutlich nicht leicht fallen. Vielleicht braucht es sogar ein paar Generationen, bis hier etwas wirklich Neues entsteht.

Jedenfalls hat es unsere Verbindung plötzlich herausgehoben aus unserem isolierten Inseldasein.

Und A sagte noch etwas Interessantes: da wir beide aus verschiedenen Gründen bis auf weiteres an ein Land gebunden sind, meinte er, dass wir wahrscheinlich beide komplett alles hinter uns lassen müssten, um etwas Neues zu beginnen. Und das wäre erst möglich, wenn wir es beide täten. Die Frage sei, wie alt wir dann seien.

Drachen und Komplimente

Er attestierte mir heute übrigens auch, dass ich „unberechenbar“ sei, und es sei unmöglich zu wissen, was ich wolle. Aber genau das gefalle ihm. Es sagt vermutlich einiges über mich aus, dass ich das als Kompliment betrachte.

Abschließend meinte ich, er habe meinen wahren Drachen ja noch gar nicht kennengelernt. Er antwortete, das gleiche gelte auch umgekehrt. Wir könnten beide wahrscheinlich ziemlich biestig werden, aber könnten auch überdurchschnittlich gut verzeihen.

Wir mussten beide lachen, weil wir beide Respekt vor dem Drachen des anderen haben, ihn aber dennoch irgendwie kennenlernen wollen.

Wenn Titanen Steine schmeißen, sollte man besser nicht in der Nähe sein. 😂

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein steinfreies Fest!

PS: Ich erhielt gerade eine Nachricht, dass er ein „Bitte nicht stören“ Schild organisiert hat. Meine Antwort?