Es ist viel passiert in den letzten Tagen. So viel, dass ich noch immer mit Verdauen beschäftigt bin. Am letzten Wochenende haben A und ich uns nach fünfmonatiger Corona-Zwangspause zum ersten Mal wieder gesehen.
Ich glaube an Bestimmung. Ich glaube daran, dass wir auf diesem Weg geführt werden und dass die lange Zeit, die wir uns nicht gesehen haben, einen Sinn hatte. Dennoch war es hart zu sehen, wie sehr es mit A´s Gesundheit bergab gegangen ist.
Doch manchmal muss man vielleicht einen Punkt der Verzweiflung erreichen, um sich auf Neues einzulassen.
Das hat mich dazu bewogen, mit ihm am Wochenende spontan eine Traumatechnik auszuprobieren, die ich selbst als hilfreich erlebt habe. Das Ergebnis: er kam nach wenigen Sekunden zur Ruhe und sein inzwischen fast permanenter Tremor kam zum Stillstand.
Natürlich können auch solche Techniken nicht zaubern. Als ich aufhörte, fing auch der Tremor wieder an. Allerdings schien das Ganze einen bemerkenswerten Seiteneffekt zu haben: A traut meiner Intuition in zunehmendem Maße, weil er erlebt, dass meine Impulse – so abstrus sie ihm auch manchmal erscheinen – funktionieren.
Neue Ideen
Irgendetwas an meiner Klopf-Behandlung scheint ihn angesprungen zu haben. So überlegte er anschließend, ob er nicht auch zwei getaktete Metronome aufstellen könne, um eine bilaterale (beidseitige) Körperstimulation zu erzeugen. Mich faszinierte der Gedanke, und als ich wieder zu Hause war, entwickelte ich mal eben eine Tondatei, die abwechselnd auf dem rechten und dem linken Kanal einen Ton erzeugt.
Mich macht der Effekt der wechselnden Tonspuren etwas schwindelig, aber er versprach, es auszuprobieren. Sollte das nicht klappen oder unangenehm sein, gibt es auch noch Geräte, die per Vibration oder visuell stimulieren.
Ich staunte nicht schlecht, als er kurz darauf berichtete, sowohl seiner Ergotherapeutin als auch der Neurologin von seiner Erfahrung erzählt zu haben. Genau genommen hat er die Neurologin nach einem Stimulationsgerät gefragt, und sie hat sich bereit erklärt, ihm ein Rezept auszustellen.
Manchmal geschehen kleine Wunder.
Über die Grenze
Und noch etwas ist geschehen: er hat mich erneut über eine innere Grenze geschubst. An einen schmerzhaften Platz, den ich freiwillig und ohne seine Hilfe wohl nicht betreten hätte. Den Platz, der der unschuldigen Offenheit eines Neugeborenen entspricht.
Du kommst an, bereit für die Welt, und erwartest jemanden, der sich mit dir verbindet. Geschieht das nicht, löst das heftigen Schmerz aus.
In diesen Zustand erwartungsvoller Offenheit hat er mich zurückgeführt, und nicht zum ersten Mal haben wir darüber gestaunt, wie passgenau wir füreinander sind. Wir besitzen füreinander den Schlüssel und ein instinktives Wissen um den anderen – den Schlüssel, der Heilung bewirkt. Das zu erleben, haut mich immer wieder um.
Langer Anlauf
Dennoch ist die lange Trennung nicht spurlos an uns vorüber gegangen. Wir haben diesmal rund anderthalb Tage gebraucht, um wieder in Kontakt zu kommen. Das ist ungewöhnlich für uns. Meist erledigen wir das innerhalb von ein bis zwei Stunden. Gott sei Dank hatten wir diesmal etwas mehr Zeit zur Verfügung.
Doch als ich wieder zu Hause war, ging der Kontakt überraschend schnell wieder verloren. Auch ungewöhnlich. Wir haben beide den Eindruck, dass das einzige, was gerade hilft, physische Nähe ist, da ihm auch Reden und Denken zunehmend schwer fällt. Alles andere zuvor – unsere Fernkommunaktion – war Kompensation, und es hat funktioniert. Doch jetzt ist wahrhaftiger Kontakt gefragt.
Fernheilung
Doch die Entfernung hat uns noch etwas anderes entdecken lassen. Aus Verzweiflung und Hilflosigkeit geboren, habe ich per Skype wiederholt Reiki mit ihm gemacht. Zuletzt habe ich das mit einer geführten Meditation verbunden.
Das Verblüffende: er lässt sich darauf ein. Ja, mehr noch: er springt hervorragend auf bildliche Suggestionen an.
Das letzte Mal, als ich mit Reiki begann, war er energetisch „all over the place“. Ich kann sehr stark mit dem Körper wahrnehmen, was beim anderen los ist, und seine Energien waren in wilder Aufruhr.
Spannend auch seine unmittelbare Rückmeldung – er bestätigt meist die Dinge, die ich sehe oder spüre. Dazu habe ich kürzlich einen interessanten Artikel von einem Körpertherapeuten gelesen. Es ging um Spiegelneuronen und dass Therapeuten sogar körperliche Symptome ihrer Klienten entwickeln können. Willkommen im Club.
Allerdings arbeite ich meist mit geschlossenen Augen. Die Spiegelneuronen scheinen trotzdem zu feuern.
Gedanklicher Schutzraum
Nach etwa zehn bis fünfzehn Minuten haben wir seine extreme Unruhe in den Griff bekommen. Das Geheimnis ist, einen Schutzraum zu erschaffen, in dem er sich rundherum sicher fühlt. Ich helfe ihm, sich zu regulieren. Koregulierung wird das unter Traumatherapeuten genannt.
Interessant waren auch die Bilder, die bei mir auftauchten. Zuerst sah ich einen goldenen Reichsapfel, und ich wusste, er ist für ihn. Nur wusste ich nicht, was ich damit tun sollte. Nach einer Weile des Zögerns, in der ich nicht wusste, was ich mit dem Reichsapfel in meiner Hand tun sollte, meinte ich: „Ich glaube, ich kann ihn dir nicht geben. Du musst ihn dir nehmen.“
Nach einer Weile wanderten meine Hände nach vorne (ich mache genau genommen Trance Healing, weil meine Hände wie ferngesteuert schweben und ich mich an energetischen „Widerständen“ orientiere), und er bestätigte, dass er den Reichsapfel genommen habe. Kurz darauf tauchte eine Krone auf. Die wollte er aber – wieder – nicht. Er meinte, er möge nicht, wofür sie stehe. Also haben wir sie kurzerhand zwischen seine Füße gestellt.
Auch als ich ihm beim vorigen Mal gedanklich den Rücken entlang der Wirbelsäule massiert hatte, konnte ich ihn fast physisch spüren. Diese Verbindung scheint stärker zwischen uns zu werden.
Ich habe ihm auch gesagt, dass ich dankbar sei, ihm zumindest auf diese Weise etwas helfen zu können. Der Trick war, mir zu erlauben, meine Heilfähigkeiten anzuwenden.
Wunder der Verletzlichkeit
Ach ja – und noch etwas hat uns am Wochenende vorwärts katapultiert: ich habe seit langer Zeit wirklich ehrlich ausgedrückt, was seine Krankheit mit mir macht. Hab geheult wie ein Schlosshund. Und aus irgendeinem Grund schien es wichtig, dass ich das so ungeschminkt zeige.
Er kann bis heute nicht fassen, dass er einfach geliebt wird und dass ich „trotz seiner Einschränkungen“ immer noch da bin. Auch wenn er mir sagte, er glaube jetzt, dass ich ihn genauso liebe, wie er ist.
Ich kann über die Einfachheit und Genialität dieser Seelenverbindungen nur immer wieder staunen. Nichts außer einer solchen Liebe könnte uns dazu bewegen, diesen Weg zu gehen.