Ein Zwilling zu sein, hat klare Nachteile. Es fällt uns schwer, bei einer einzigen Position zu bleiben, denn schließlich gibt es immer mindestens zwei Seiten.

Wir kommen der ungeschminkten Wahrheit jedenfalls näher. Oder so. Oder auch nicht. A hat heute noch einmal klar und deutlich gesagt: „Ich möchte nicht gesund werden. Das ist nicht mein Ziel.“

Ich glaube an freien Willen. Er will, was er will. Und für mich gilt das Gleiche.

Im Moment denke ich, wir haben es nur so weit geschafft, weil wir unseren Kernkonflikt nie ausgesprochen haben. Hätten wir von Anfang an formuliert, was unsere Absichten sind, hätten wir vermutlich direkt voneinander die Finger gelassen.

Aber nun sind die Dinge, wie sie sind. Wir sind verwickelt. Verbunden. Wir sind einander nicht egal.

Fortschritt. Fort. Schritt.

Er benennt klar seinen Weg. In seinen Augen ist das Heim ein Fortschritt. Ich könnte versuchen, mich in sein Denken hineinzuversetzen, aber ich möchte es nicht mehr.

Ihn zu sehen, ist von Mal zu Mal schmerzhafter geworden. Ich habe das Gefühl, meine Schmerzgrenze erreicht zu haben.

Nicht, dass ich mir einbilde, einfach sang- und klanglos aus dieser Verbindung verschwinden zu können. Das Band ist da, sogar wenn wir es nicht wollen.

Freiheit. Freiheit?

Mir ist klar, dass es um Freiheit geht. Und dass wir alle in Vorstellungen feststecken, wie die Dinge zu sein haben. Wie sich dann herausstellt, sind sie das aber nicht.

Wir erzählen uns Geschichten. Schöne Geschichten. Und ich fasel vor mich hin und verstecke meinen Schmerz hinter den Worten.

Ich sehe den Riss, und ich sehe, wie wir schnurstracks in unterschiedliche Richtungen marschieren. Oder doch eher driften? Die letzten Tage gab es wohl keinen einzigen, an dem ich nicht den Impuls hatte, die Sache zu beenden.

Trennungen konnte ich noch nie. Ich habe immer so lange gewartet, bis der Schmerz mir keine andere Wahl mehr ließ. Vielleicht ist es diesmal wie immer?

Ich möchte den Schmerz nicht mehr

Ich möchte den Schmerz nicht mehr. Den Schmerz gepaart mich Machtlosigkeit. A´s Geschichte. Die ich nun meinerseits erleben darf?! Seelennähe mit einem Schwersttraumatisierten? Kein Spaziergang.

Mein innerer Kampf wird größer. Einerseits hat es gut getan, heute Klartext zu reden. Andererseits habe ich mich wie ein Vollidiot gefühlt. Wie konnte ich mir nur wünschen, dass der Mann, den ich liebe, gesund wird?

Es war nie einfach

Von außen sieht es wahrscheinlich so aus, als würde ich ihn im Stich lassen, jetzt wo es schwierig wird. Die Wahrheit ist: es war nie einfach. Ich musste mich wieder und wieder für ihn entscheiden. Die meisten Frauen vor mir haben viel früher das Handtuch geworfen.

Der Unterschied ist wahrscheinlich, dass ich ziemlich genau sehe, was passiert. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Wer weiß das schon. Vielleicht steht mir dieser Platz gar nicht zu, von dem ich glaubte, ihn zu besitzen.

Lass mich in Ruhe

Er sagt es nicht so klar, aber ich höre: lass mich in Ruhe krank sein.

Ok, sag ich und dreh mich um.

Was immer dich glücklich macht.

Ich höre die Bitterkeit in meinen Worten. Ich weiß, dass ich zurückzahle.

Aber wer hat behauptet, unfehlbar zu sein.