Manchmal erscheint mir meine Verbindung mit A. wie unter dem Mikroskop oder Vergrößerungsglas. Wenn wir Nähe haben, ist diese Nähe sehr intensiv. Wenn wir glücklich sind, ist das Glück überbordend. Doch wenn wir uns streiten, unsere Knöpfe drücken oder in alte Muster verfallen, ist es auch die Hölle.

Wir beide sind Menschen, die die Extreme im Leben zu suchen scheinen. Die die Grenzen des Möglichen suchen und das Unmögliche versuchen. Dabei holen wir uns durchaus auch blutige Nasen.

Was mir ebenfalls aufgefallen ist, dass wir nicht nur ein großes Nähe-, sondern auch ein großes Distanz-/Autonomiebedürfnis haben. Nachdem unsere erste anfängliche Phase der Glückseligkeit und der erste große Hunger nacheinander gestillt war, entstand der Wunsch nach Freiheit.

„Ich will zu dir gehören und trotzdem frei sein“, sagte A. gerade noch vor ein paar Tagen zu mir. Und das ist für uns beide kein Widerspruch. „Den Käfig offen lassen, damit der Vogel zurückkehren kann.“

Eine mir nahestehende Person sagte über uns nicht ohne Neid, wir seien ja einfach „glücklich in unserer Liebesblase“. Aber das stimmt nicht. Nein, wenn wir lieben, lieben wir richtig. Und wenn wir aufeinander knallen, knallen wir. Mit aller Kraft und so, dass es verdammt weh tut.

Wir sind weit davon, nur in einer glücklichen Liebesblase zu schweben. Das ist projiziertes Wunschdenken, geboren aus Sehnsucht und Verklärung. Wenn wir ganz allein und ungestört sind, gelingt uns diese „Love Bubble“ – oft, nicht immer. Doch viel schmerzlicher haben wir in den letzten Monaten die Erfahrung gemacht, wie anfällig wir für „Störungen“ (Einflüsse) aus unserem Umfeld sind. Wir sind so offen und ungeschützt miteinander, weil wir dieses große Vertrauen zueinander haben. Kommen andere ins Spiel, treffen uns die Einflüsse manchmal besonders empfindlich, eben weil wir offen und ungeschützt waren. Doch das ist nicht in jeder Lebenslage und jedem Menschen gegenüber ratsam.

Wie sagte A. so schön? „Mit uns beiden ist alles richtig. Aber mit unserem Umfeld hakt es überall.“ Aber natürlich existieren wir nicht losgelöst von unserem Leben. Unser Umfeld spiegelt uns auch.

Ich habe auch unsere hohe Sensitivität als zweischneidiges Schwert erlebt. Geht es dem einen gut, wirkt sich das sehr positiv auf den anderen aus. Aber das Umgekehrte gilt genauso. Verfallen wir dem negativen Denken, der Angst und Unsicherheit, rutschen wir schnell in eine Abwärtsspirale.

Doppelt gewonnen, doppelt verloren. Diese Verbindung ist wie eine Investition mit doppeltem Einsatz.
Solange ich mich auf der „Plus“-Seite sehe, fühle ich mich gesegnet. Landen wir auf der „Minus“-Seite, wünsche ich diese Liebe und diesen Teil von mir manchmal zum Teufel.

Im Prinzip glaube ich an das, was vielerorts zu lesen ist – dass wir uns als Seelen für diese Erfahrungen freiwillig gemeldet haben. Wenn dann allerdings der überwältigende Schmerz kommt, zweifle ich schon mal an der Zurechnungsfähigkeit meiner Seele.

Gestern hat sich A. von mir getrennt. Da sitze ich also, mit geplatzter „Love Bubble“ und spüre diesen entsetzlichen Riss in meinem Herzen. Gestern war einer der schwärzesten Tage meines Lebens. Heute tun sich erste Silberstreifen am Horizont auf.

Ein Teil von mir hasst den Schmerz und will dann einfach nur noch sterben. Ein anderer Teil von mir schafft es immer noch, dankbar zu sein und nach vorne zu blicken. A. hat viele wahre Dinge gesagt. Er kann so unglaublich schonungslos sein. Ich habe ihm nicht widersprochen. Ich habe mir die Dinge angehört. Und zugelassen, dass sie mir das Herz verbrennen.

Mit zwanzig habe ich schon einmal die Erfahrung gemacht, dass mir jemand förmlich das Herz zerriss. Meine erste große Liebe. Damals habe ich versucht, diesen Schmerz mit Alkohol zu betäuben. Aber wer so sehr liebt, kann dem Schmerz nicht entkommen. Keine Zwei ohne Eins.

Diesmal entscheide ich mich, mein Herz geöffnet zu lassen, obwohl ich in manchen Momenten fast das Gefühl habe, dass es mich umbringt. Nein, ich verschließe mein Herz nicht noch einmal, nachdem ich es über viele Jahre so mühsam wieder freigelegt habe.

Ich liebe dich. Daran kann nichts und niemand etwas ändern. Und du liebst mich. Das weiß ich. Angekommen in der Runner-/Chaser-Phase? Ich habe lange, lange Jahre „gejagt“. Will ich das noch? Oder will ich die Gelegenheit nutzen, um innezuhalten und auf mich zu hören? Das fällt mir noch immer unglaublich schwer. Aber ich kann es besser als noch vor einiger Zeit. Ich habe meine Depressionen und meine Angstzustände überwunden. Da werde ich die anderen Hindernisse auch noch nehmen.

Allerdings sollte man eine Bergbesteigung nur in geeigneter Kondition vornehmen. Meine Kräfte sind am Ende, mein Alltag hat mich ausgebrannt. Ich will weitergehen. Aber zuallererst muss ich, nein, will ich für mich sorgen und wieder zu Kräften kommen.