Heute ist einer dieser Tage, wo ich einmal von meinem Vorsatz abweiche, ausschließlich „positive“ Energien in die Welt zu senden. Und ich tue dies aus verschiedenen Gründen.

Erstens: Mir geht es aktuell nicht besonders gut. Physisch und psychisch. Zweitens: Niemand von uns steht immer nur im Licht. Und drittens: Negative Gefühle sind erlaubt.

Das mag mal wieder banal klingen. Und doch halte ich vor allem Letzeres für extrem wichtig. Kürzlich sah ich im Internet noch einen Artikel zu diesem „esoterischen Dogma“, positiv sein zu müssen – dass es aber ebenfalls extrem wichtig sei, unsere „ungeliebten Kinder“ (Wut, Angst, Neid, Eifersucht, Scham …) anzunehmen und auszudrücken.

In diesem Sinne gibt es eigentlich gar keine „negativen“ Gefühle. Wut aktiviert unser Handeln, Angst warnt und Scham schützt uns. Was genau macht diese Gefühle destruktiv?

Nicht gewollt sein

Das Nicht-gewollt-sein macht sie destruktiv. Dann marodieren diese Gefühle in uns und boykottieren uns, anstatt mit uns zusammen zu arbeiten.

Mein Sohn ist hierfür ein hervorragender Lehrmeister. Spricht man ihn konstruktiv an (und nimmt an, dass er ebenfalls konstruktiv, klug, vernünftig und grundsätzlich kooperationsbereit ist), so funktionieren viele Dinge im Miteinander sehr gut. Erwische ich aber die falsche Tonlage und greife entweder auf Kommandoton oder auf ein genervtes „Nicht schon wieder …“ zurück, verweigert er seine Kooperation vollständig. Warum?

Es geht nicht um mein eigentliches Anliegen, nicht um die Sache. Nein, es geht darum, mit welcher Haltung und Grundannahme ich ihm begegne. Begegne ich ihm mit Wertschätzung oder Abwertung? Zu- oder Misstrauen? „Liebe“ ich ihn mit meiner Reaktion, oder weise ich ihn ab? Darauf reagiert er viel stärker als auf jeden Sachinhalt, den ich an ihn herantrage.

Unsere Gefühle sind oft ebenfalls wie kleine Kinder. Sie wollen beachtet, geliebt und gehört werden. Man könnte auch sagen, sie machen unser „inneres Kind“ aus. Und was sagt mein inneres Kind heute?

„Mama, ich kann nicht mehr. Die Aufgabe, die du mir gestellt hast, ist zu schwer. Ich bin müde und habe Schmerzen. Ich brauche Hilfe. Und/oder eine Pause. Eine warme Decke, einen heißen Tee und gaaaanz viel Zuwendung.“

Es erinnert mich an meinen eigenen Anspruch. Die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Mich selbst zu heilen und mein Wissen in die Welt zu tragen. Nicht umsonst gekommen zu sein.

Ansprüche

Ganz schön hohe Ansprüche, ich weiß. Manchmal fast etwas größenwahnsinnig. Es hat etwas sehr Befreiendes, dies aufzuschreiben. Und mir selbst zu sagen: „Nun mal langsam. Du leistest bemerkenswerte Dinge. Jetzt gönn dir mal Zeit für dich selbst.“ Helfersyndrom. Noch immer. Ok.

Wenn ich innehalte, spüre ich. Das Positive und das Negative. Das Leichte und das Schwere. Gerade spüre ich vor allem die Last, die auf meinen Schultern liegt. Die ich mir habe aufladen lassen oder die ich selbst freiwillig übernommen habe. Die Last der Verantwortung.

Wenn ich innehalte, spüre ich den Schmerz und das Brennen in meinem Körper. Über alte, noch nicht geheilte Wunden. Trauer über Verpasstes. Wut über Verletzungen und Grenzüberschreitungen. Oder Grenzen. Scham für meine Unvollkommenheit. Für meine Menschlichkeit.

Stoppstoppstopp. Wie entlarvend, was ich gerade schrieb. Oder sollte ich sagen: wie interessant? Wie tief diese Selbstabwertung in mir sitzt. Noch immer. Trotz all dieser Jahre Heilarbeit. Scham für meine Unvollkommenheit. Das lass ich mir mal auf der Zunge zergehen.

Welchen Werten folgen wir? Fehlerfreiheit. Nicht wahr? Dürfen wir es uns überhaupt noch gestatten, Fehler zu machen? Nicht zu leisten? Nicht zu wissen? Mit der Kraft am Ende zu sein? Langsam? Alt? Dürfen wir das? Dürfen wir begrenzt, dürfen wir noch menschlich sein?

Ich habe zuletzt einen kleinen Satz gefunden, oder vielleicht hat auch er mich gefunden. Jedenfalls ist er geblieben, und ich rufe ihn immer häufiger herbei. Einen kleinen, feinen Freund. Ein Helferlein.

Was würde die Liebe tun?

„Was würde die Liebe tun?“ Die Liebe hüllt ein. Die Liebe rückt gerade. Die Liebe räumt auf. Und – die Liebe sagt Nein. Das erweist sich auch für Dualseelen immer wieder als entscheidend.

Gestatte dir, Nein zu sagen. Und Ja zu dir selbst. Genau das gedenke ich heute zu tun. Mit Extra-Genuss. Und extra viel Selbstfürsorge.

Einen liebevollen Tag euch allen.

PS: Jetzt bin ich doch wieder beim Licht angekommen. Irgendwie kann ich wohl nicht anders 😉