Gerade habe ich ein äußerst inspirierendes und faszinierendes Gespräch mit A. geführt. Vor einiger Zeit hatten wir eine sehr unschöne und heftige Begegnung erlebt, die Spuren hinterlassen und deren Reste wir bis dato noch nicht geklärt hatten. Nun sprachen wir erneut darüber. Dabei stellte sich heraus, dass wir beide ganz ähnliche Denkstrukturen haben.

Wir können beide extrem in gedanklich-kreative Welten abtauchen, in denen wir nur noch schwer erreichbar sind und währenddessen wir die „reale“ Welt stark ausblenden.

Inhaltlich befassen wir uns mit unterschiedlichen „Herzensprojekten“. Während er seit Jahren gedanklich an einem Softwareprogramm tüfelt, stürze ich mich in verschiedene Buchprojekte, die meine Aufmerksamkeit und meinen Fokus über längere Zeit regelrecht „gefangen“ nehmen.

In diesem Zusammenhang sprachen wir auch darüber, dass wir zwar in gewisser Weise ähnlich „ticken“, andererseits aber so individuell sind, dass es uns nicht möglich ist, diese mentalen Welten zusammenzuführen. Ich würde ihn in seiner Welt stören, und er mich in meiner. Stattdessen tauchen wir immer wieder aus unseren Innenwelten auf und begegnen uns an so etwas wie „Kreuzungspunkten“. Unsere Begegnungen sind dann höchst intensiv und berauschend. Doch bald drängt es uns beide auch wieder stark in Richtung Autonomie.

Dabei erwähnte A. vorhin etwas, was mich ziemlich elektrisierte und eine Saite in mir anschlug. Er meinte, was uns nicht gelänge, wäre „parallel“ oder „gleich“ zu denken, so wie Zwillinge.

Das erinnerte mich an das Buch von Sandra Ruzischka, „Das Mysterium der Dualseelen und Zwillingsseelen“, das ich kürzlich gelesen habe und das mich ziemlich beeindruckte, und an ihre Unterscheidung zwischen Zwillings- und Dualseelen.

Nicht, dass es unterm Strich wichtig wäre, welchen Namen ich den Dingen gebe. Trotzdem ist Sprache für mich ein wichtiges Werkzeug; so schreibe ich unter anderem, um innerlich Ordnung zu schaffen. Seit ich A. vor etwas mehr als einem halben Jahr nach zwanzig Jahren wiedertraf, habe ich viel gelesen und versucht, in Büchern und Blogs meine Erfahrungen wieder zu finden.

Schon seit längerer Zeit versuche ich zu begreifen, was A. für mich ist, und wie andere solche Erfahrungen beschreiben und benennen. Dabei stieß ich auch auf die Begriffe Zwillingsseele und Dualseele.

Doch die Unterscheidungen, die manche Autoren versuchten, blieben mir unklar; von beiden Beschreibungen konnte ich Eigenschaften bei uns wiederentdecken; Ähnlichkeiten und Gegensätzlichkeiten. Doch was überwog? Dass wir eng verwandte und zutiefst verbundene Seelen sind, dafür bestand für mich kein Zweifel. Auch dass das Thema Zwillinge in meinem Leben seit Kindheit ein großes Thema war, wusste ich. War er also mein Zwilling?

Erst anhand von Sandra Ruzischkas Beschreibungen lichtete sich mein Nebel. Ja, es gibt überraschende Übereinstimmungen zwischen uns: wir essen beide den Salat nach der Hauptmahlzeit; wir wünschen uns beide einen Esel; wir haben einen sehr ähnlichen Geschmack, sowohl beim Essen als auch in Bezug auf Möbel und Kleidung, und vor allem haben wir sehr ähnliche Lebensthemen. Wir sind zu sehr ähnlichen Einsichten gekommen, doch auf völlig anderen Wegen.

Wir denken und fühlen auch nicht gleich. Im Gegenteil – A. ist in vieler Hinsicht das genaue Gegenteil von mir. Er ist äußerst konsequent; er kann sich gut abgrenzen und Nein sagen. Er verfügt über ein beneidenswertes Maß an Selbstdisziplin. Er scheut sich nicht, Entscheidungen zu treffen. Er ist unerschrocken und scheut sich nicht, Neues zu wagen oder unbequem zu sein. Er ist sehr logisch, handwerklich geübt und mathematisch-physikalisch sehr begabt. Alles Dinge, die ich nicht gut kann und die er in mir anstößt.

Doch als wir vorhin über unsere ähnlichen Denkstrukturen sprachen, machte es bei mir „Klick“. Er beschrieb genau, was wir nicht sind: wir sind nicht gleich, sondern polar.

Dabei frappiert es mich immer noch, mit welcher Treffsicherheit er mir in unseren Gesprächen folgen kann. Jahrelang habe ich die Erfahrung gemacht, dass andere bei meinen Gedanken und Überlegungen früher oder später ausstiegen. Ständig musste ich mich und das, was ich meinte, mühsam erklären und erntete am Ende oft trotzdem Unverständnis oder Achselzucken.

Bei A. ist das anders; es ist mühelos. Ich erzähle ihm die – wie ich finde – abgefahrensten Dinge, und er folgt mir mit Leichtigkeit. Ja, mehr noch: er nimmt meinen Faden auf und spinnt ihn weiter. Wir werfen uns die Bälle zu.

Wir finden es gut, dass wir beide ein ausgeprägtes Autonomiebedürfnis haben. A. beschrieb unser Verhältnis wie zwei gegenläufige Sinuskurven, die sich immer wieder kreuzen. Und spiegeln. Die sich in gewisser Weise parallel zueinander bewegen, und ständig aufeinander bezogen sind – und dennoch individuell und frei.

Ich spürte eine große Freude, als er das sagte. Ja, genauso ist es. Nein, ich will nicht, dass er so ist wie. Er ist anders als ich. Und doch gleich. Beides genieße ich in vollen Zügen. Er bereichert und ergänzt mich, und er sieht das, was ich nicht sehe. Und umgekehrt.

Doch ganz egal, wie wir es nennen, wir sind, was wir sind -– zwei zutiefst verbundene Seelen in einer Liebe, für die Worte nicht reichen.