Wenn du meinen letzten Artikel gelesen hast, dann weißt du, dass ich vor ein paar Tagen eine ziemlich aufwühlende Begegnung hatte. Und dass diese Begegnung etwas sehr Tiefes in mir zum Klingen brachte. Erinnerungen an Vorleben? Oder was zum Teufel sonst …?!

Ich muss gestehen, dass ich gerade mal wieder selbst den Kritikerhut trage. Den großen! Obwohl mir vor einer halben Stunde diese Dinge passiert sind, von denen ich euch gleich berichten werde. Aber – kann das alles überhaupt möglich sein? Spinne ich? Was passiert hier wirklich? Oder habe ich einfach nur eine blühende Fantasie?

Werdet ihr mir glauben? Glaube ich mir selbst? Und wenn ja, was genau glaube ich?!

Jedenfalls saß ich heute morgen an meinem Computer, las noch einmal meinen letzten Artikel und hatte plötzlich diesen Aha-Moment. Diesen Augenblick, wo Dinge sich verbinden und beginnen, Sinn zu ergeben. Brennen. Kräuterfrau. Scheiterhaufen. Und dann dieser Schmerz, der irgendwas mit D. zu tun hatte.

Noch ganz in diesem Zustand gehe ich in die Küche und koche mir einen Tee, als ich merke, dass etwas in mir arbeitet. Aber wie! Meine Zähne beginnen zu klappern. Heftig zu klappern. Meine Reaktion auf D. ist nicht nur so là là – sie ist intensiv!

Zähneklappern

Ich gehe nach oben ins Büro meines Mannes und deute nur stumm auf meine klappernden Zähne. Er kennt das schon von mir, und es beunruhigt ihn nicht weiter. Wir wissen beide, dass sich etwas löst. Kein Grund, Angst zu haben.

Ich strecke nur stumm die Hände nach ihm aus. Er ergreift sie, und wir stehen einfach da. Beieinander. Miteinander.

An den genauen weiteren Verlauf erinnere ich mich nicht mehr. Ich weiß nur, dass mein linkes Bein zu zittern beginnt. Ich lasse es geschehen, nehme es einfach wahr. T. ist mit seiner ganzen Aufmerksamkeit bei mir. Er hält mich. Ich fühle mich sicher bei ihm. Er kann aushalten, was kommen will. Wir sind sturmerprobt. Oh ja, das sind wir!

Schließlich merke ich, wie mein Körper sich zusammenkrümmt, fast als sinke ich auf die Knie. Etwas in meinem Rumpf krampft sich zusammen. Ich sehe Bilder, oder vielmehr fühle ich Gefühle in Formen von Bildern, Fetzen, Eindrücken. Ja. Jemand brennt. Aber nicht ich.

Jemand brennt

Ich bin Zeuge einer Verbrennung. Und ich stehe ohnmächtig daneben. Ich verliere den Menschen, den ich liebe. An die Willkür, Dummheit und blinde Angst anderer. Und ich kann nichts tun, um die Katastrophe aufzuhalten. Ich hasse ihre Dummheit. Ich hasse sie und ihre verdammte Selbstgerechtigkeit.

Plötzlich bricht ein Schluchzen aus mir heraus. Ein Schluchzen so tief, so roh, so … herzzerreißend, dass ich denke – so kann nur eine Frau fühlen, die ihren Mann verliert. Witwe – schießt es mir durch den Kopf. Du wirst gerade zur Witwe. Weil andere es so entschieden haben.

Ich kann mit Worten kaum beschreiben, was mit mir passiert. Es ist, als erlebte ich die ganze Szene erneut. Ich bin ich und doch nicht ich. Ein Teil in mir bleibt distanziert, wie ein Zuschauer. Aber der Schmerz ist sehr real, in meinem Körper. In meiner Seele. In meiner … Erinnerung? Und bricht schonungslos heraus. Um zu heilen.

Mein Mann reagiert auf mich, tut ein paar intuitive Dinge. Und ich weiß, er tut genau das Richtige. Er bewegt meinen Kopf in einer bestimmten Weise, und ich vertraue mich seiner Führung an. Schon lange weiß ich, dass er ein mächtiger Heiler ist. Nur dass er sich bisher selten getraut hat. Für mich wird er plötzlich zu Olaf, dem Wikingerkönig, der sich hier, in dieser unserer Stadt, zum Christentum bekannte. Und zu dem T. sich seltsam hingezogen fühlt. Das war im Jahr 994.

Ist das eine seiner Vorgeschichten?!

Fallen lassen

Jedenfalls ist er da für mich. Mit mir. Er ist in seiner Kraft und Größe, und ich weiß, dass ich mich ihm anvertrauen kann. Ich kann mich fallen lassen. Es hat einen Sinn, dass wir durch so viel gemeinsam gegangen sind. Es hat uns vorbereitet. Es hat uns eingestimmt.

Mir schießt – wie schon so oft – der Satz einer hellsichtigen Frau in den Kopf, die einmal zu uns sagte: „Ihr seid zusammen, um eure Beziehung zu heilen. Stellvertretend für viele andere.“ Und plötzlich spüre ich, was möglich ist. Mir wird klar, dass ich diese Dinge nur mit ihm heilen kann. Dass wir gemeinsam arbeiten sollten – und können. Ich habe viele Jahre professionellen Trainings durchlaufen, und er heilt einfach – intuitiv.

Er ist derjenige, der die Stärke hat, um die aufbrechenden Dinge – oder mich – in diesen Momenten zu tragen. Mit A. kann ich diese Art Heilarbeit nicht gemeinsam machen, das wird mir auch sonnenklar. Zu viel ungeheiltes Trauma in ihm. Anders gesagt: wir heilen andere Dinge miteinander. Aber mir ist bewusst, was für zwei „große“ – und großartige – Männer ich mir ausgesucht habe. Und ich bin unglaublich dankbar.

Schließlich fragt T.: „Ist es in Winchester?“ Winchester war im Mittelalter die Hauptstadt Englands, und sie ist nicht weit von hier. Ich spüre seiner Frage nach und sage schließlich: „Kann sein.“ Mir war Winchester nicht in den Sinn gekommen. Aber als er es benennt, spüre ich ein „Ja“ in mir.

Trauerweiber

Die Situation, in der wir uns halten und mein linkes Bein zittert, hält an. Lange. Und schließlich brechen andere Töne aus mir hervor. Kein Schluchzen. Mehr ein Wehklagen. Schrille Töne. Gurgeln. Schließlich ein nicht enden wollender Schrei. Fußgetrampel. Ich schwöre: ich habe noch nie zuvor mein Inneres so bedingungslos nach außen gestülpt, mich so roh, so wahrhaftig gefühlt. Jedenfalls nicht in diesem Leben. Sowas kann sich keiner ausdenken. Solch einen Schmerz inszenieren wir nicht.

Trauerweiber, denke ich. Wann hätten wir in unserer modernen Welt je so getrauert? Das ist lange, lange her.

T. hat derweil ebenfalls einen Ton angestimmt. Er summt vor sich hin. Er besingt mich.

Von meinem Schrei herbeigerufen, kommt mein jüngerer Sohn ins Zimmer. Wir beruhigen ihn rasch und erklären ihm, dass gerade etwas heilt – und dass alles in Ordnung ist.

Sehr nah

Dann taucht noch ein weiteres Bild vor mir auf. „Ich glaube, ich habe mich danach selbst getötet. Weil ich dieses Leben so nicht mehr wollte.“ „Dann muss es sehr nah gewesen sein“, erwidert mein Mann. „Räumlich?“ frage ich. „Nein“, antwortet er. „Jemand, der dir sehr nahe stand.“

Das Zittern in meinem Bein verändert sich schließlich. Es verschwindet nicht vollends (und ich könnte es wahrscheinlich augenblicklich reaktivieren), aber etwas hat sich verändert. T. hatte mein Zittern ebenfalls in seinem Körper gespürt – auch in seinem linken Bein. Irgendwann sagte er: „Jetzt kannst du wieder alleine stehen.“

Für mich dauert es noch eine ganze Weile, bis ich dieses Gefühl wirklich erreicht habe. Aber er hat recht. Mein rechtes Bein trägt mich zuverlässig, und mein linkes Bein fühlt sich nicht mehr ganz so schwach an. Ich kann alleine stehen.

„Es ist schön, alleine zu stehen und doch nicht alleine“, sage ich. Und ergreife seine Hand.

Halt

Die Gefühle, die ich durchlebte, waren die einer verwitweten Frau. Ich (oder sie?) hatte meinen (ihren?) Mann verloren. Ans Feuer. Das ist, was ich glaube. Oder sollte ich besser sagen: das ist, was ich weiß?!

Mein Mann und standen lange so beieinander. Schließlich trat er hinter mich und umfasste mich von hinten und schlang seine Arme um meine Brust. Da entwich mir ein weiteres verzweifeltes Schluchzen. Er hielt mich, er trug einen Teil meiner Last, und ich spürte, wie schwer es mir fiel, das zuzulassen.

Aber ich war einfach dankbar, dass er da war. Mit mir. Für mich. Dass wir diesen verdammt steinigen Weg gemeinsam gehen.

Danke, T. You are amazing.
Ich liebe dich.